Nadja


42 Jahre alt

Diagnosen: Tiefinfiltrierende Endometriose (und Adenomyose)

Erstdiagnose: 6. Mai 2019

Betroffene Organe: Gebärmutter, Eileiter, Eierstöcke, Harnleiter, Bauchfell, (Darm?)

Entfernte Organe: Gebärmutter, beide Eileiter

Meine häufigsten Symptome: Unterleibskrämpfe- und Schmerzen, Kreuz- und Rückenschmerzen,

Müdigkeit und Erschöpfung, Durchfall und Verstopfung im Wechsel, schmerzender Blähbauch,

Übelkeit, Stimmungsschwankungen

Aktuelle Therapien: Hormontherapie, Schmerzmittel, Therapeutische Frauenmassage,

Selbsthilfegruppe, Schmerzpsychotherapie

Beruf: Pflegefachfrau Psychiatrie HF, 80% Pensum

Das gibt mir Halt und Stärke: Mein Partner, meine Freunde und Familie, mein Beruf, Metal Musik,

bis vor kurzem noch mein Hund


«Das Leben mit Endometriose ist ein ständiger Balanceakt. Aufgeben ist keine Option für mich, ich
kämpfe mich immer wieder zurück ins Leben»

An eine schmerzfreie Menstruation kann ich mich nicht erinnern. Mit 15 Jahren habe ich angefangen

die Pille zu nehmen. Die Menstruationen wurden zunehmend schmerzhafter, so dass meine damalige

Gynäkologin mir riet, die Pille durchgängig einzunehmen. Dies tat ich dann über 15 Jahre lang. Wenn ich die Pille mal zwischendurch absetze, waren die Schmerzen so unerträglich, dass ich erneut zur

Pille griff. Als ich 32 Jahre alt wurde, setzte ich die Pille dann endgültig ab, mein damaliger Partner liess sich unterbinden, so dass Verhütung kein Thema mehr war. Ein Kinderwunsch bestand bei mir

noch nie, ich hätte laut meines Endometriose Spezialisten höchstwahrscheinlich nie auf natürlichem

Wege schwanger werden können. Ich bin froh, wurde mir wenigstens dieses Leid, ein unerfüllter Kinderwunsch, erspart.

Nach Absetzen der Pille fühlte ich mich zuerst wie neugeboren, voller Lebenslust und Tatendrang, ich

hatte wieder mehr Zugang zu meinen Gefühlen und hatte zugleich meine Impulse besser unter

Kontrolle. Doch diese Gefühle wurden schleichend durch monatliche starke Unterleibsschmerzen

und Rückenschmerzen abgelöst. Irgendwann zehrten diese Schmerzen nicht nur während der

Menstruation an mir, die Rückenschmerzen gingen gar nicht mehr weg. Wärmeflaschen, Wärmepflaster und stundenlanges Baden gehörten bald zu meinem Alltag. Auch die schnelle Erschöpfung und ständige Müdigkeit die mich plagten, schlichen sich dauerhaft in mein

Leben ein.

Im Frühling/Sommer 2018 fingen die starken Unterleibskrämpfe an, welche ich während des

Eisprungs bis jeweils zum Ende der Menstruation erleiden musste. Ich kämpfte mich weiter durch

und fehlte deswegen auch nie bei der Arbeit. Mein Stolz liess dies nicht zu. 

Bis ich im Winter 2018 während des Nachtdienstes zusammenbrach vor Schmerz. Ich war total verzweifelt und wusste nicht mehr weiter. In meinem Kopf hatte sich all die Jahre durch die Aussagen der Gynäkologen manifestiert, es sei normal Schmerzen während der Menstruation zu haben. Instinktiv spürte ich

aber, dass diese Schmerzen nicht mehr normal sein konnten. 
Ich suchte mir einen neuen Gynäkologen der mir wieder bestätigte, dass alles in bester Ordnung mit mir sei. Als ich dann im Frühling 2019 erneut zusammenbrach vor Schmerz, suchte ich ihn nochmals auf, da diagnostizierte er mir eine Endometriosezyste am linken Eierstock, eine sogenannte Schokoladenzyste. 

In diesem Moment hörte ich das Wort «Endometriose» zum ersten Mal. Als ich genauer bei ihm nachfragte,

verharmloste und relativierte er die Diagnose sofort wieder und meinte, wir warten erst mal ab und

ich solle in einem halben Jahr wieder zur Kontrolle kommen.

Google sei Dank fand ich dann eine Menge über Endometriose heraus. 

Es wurde mir zunehmend unwohler mit dieser Verdachtsdiagnose und diesen unerträglichen Schmerzen nochmals ein halbes Jahr abzuwarten. Also machte ich Druck bei meinem damaligen Gynäkologen und bat ihn, mich ins Endometriose Zentrum zu einem Spezialisten zu überweisen. Er weigerte sich und wollte mir u.a. die Kupferspirale andrehen. Hielt mir einen Vortrag übers Kinder kriegen und künstliche Befruchtung, beleidigte mich sogar, als ich ihn mehrmals mit dem Einwand unterbrach, ich wolle doch gar keine Kinder. Falls ich die Schokoladenzyste irgendwann entfernt haben wolle, würde er mich persönlich operieren. Ich weiss es noch als ob es gestern gewesen wäre, wie verzweifelt und ungehört ich seine Praxis verliess. Mit Nichts ausser einer Packung gegen PMS (Prämenstruelles Syndrom).

Als ich mich wieder gefasst hatte, rief ich persönlich im Endometriose Zentrum an, erzählte der freundlichen Frau am Telefon meine Geschichte und sie schien meine Verzweiflung regelrecht gespürt zu haben. Sie sagte, es sei unüblich eine neue Patientin ohne Überweisung aufzunehmen, aber sie mache in meinem Fall eine Ausnahme. Zufälligerweise sei ein Termin frei geworden in zwei Wochen und sie könnte mich da für einen Sprechstundentermin anmelden. Ich solle die Ultraschallbilder von meinem Gynäkologen mitbringen.

Mein Gynäkologe weigerte sich die Bilder herauszurücken und nötigte mich für einen weiteren vaginalen Ultraschall, die neuen Bilder nahm ich dann mit an den Termin im Mai 2019. 
Mein Endometriose Spezialist warf einen kurzen Blick auf die Bilder, hörte geduldig meiner Geschichte zu, die ich ihm schilderte, schüttelte ab und an den Kopf, nickte zwischendurch verständnisvoll und bat

mich anschliessend, dass er mich nochmals gründlich untersuchen dürfe. Die Bilder von meinem ehemaligen Gynäkologen warf er in den Papierkorb und bat mich, dass er sich dazu nicht weiter

äussern muss, da er professionell bleiben wolle.

Er sah bereits beim vaginalen Ultraschall, dass ich mit 99 prozentiger Sicherheit Tiefinfiltrierende

Endometriose habe. Er klärte mich über die möglichen Therapien auf, riet mir zu einer Laparoskopie um die Diagnose zu bestätigen und die Endometrioseherde entfernen zu können. Eine Hysterektomie (Gebärmutterentfernung) stand ebenfalls zur Diskussion, da ich das Thema Kinderwunsch schon längst abgeschlossen hatte, bzw. nie einen Kinderwunsch hatte. Die Flut an neuen Informationen und die Verdachtsdiagnose überwältigten mich so sehr, dass ich um Bedenkzeit bat und wir für Oktober

2019 einen neuen Termin ausmachten. Er gab mir die für Endometriose bekannte Pille mit, eine Gestagen Pille mit, welche das Wachstum der Endometrioseherde austrocknen soll. Das in der Pille enthaltene Gestagen Dienogest vermindert bei täglicher Einnahme das

Gebärmutterschleimhautgewebe und reduziert die mit Endometriose einhergehenden Unterbauchschmerzen. 


Soweit so gut. Als ich zu Hause die Packungsbeilage las, bekam ich aber regelrecht Angst. Der eine Satz «Das Risiko für einen Gefässverschluss in den Arterien steigt, wenn Sie rauchen. Es wird Ihnen dringend geraten, mit dem Rauchen aufzuhören, wenn Sie die Pille

einnehmen, besonders wenn Sie älter als 35 Jahre sind.» geisterte mir ständig durch den Kopf. 

Ich war schon weit über 35 Jahre alt, rauchte wie ein Bürstenbinder und konnte mir damals in der

aktuellen Belastungssituation noch weniger vorstellen, mit dem Rauchen aufzuhören. Zudem liegen bisher keine klinischen Langzeitstudien über eine Behandlungsdauer von mehr als 15 Monaten mit Hormontherapie vor. Ich habe diese Pille bis heute nicht angerührt.

Mittlerweile habe ich erfolgreich mit dem Zigaretten rauchen aufgehört, trotzdem ist die Pillen-Einnahme keine Option für mich. Der Weg mit Hormontherapie, war und ist nicht mein Weg.

Ich liess damals das Ganze erstmal setzen, kaufte mir Bücher zum Thema Endometriose, suchte

Gleichgesinnte und tauschte mich mit ihnen aus. Der Austausch mit meinen Endosistern war und ist für mich sehr wertvoll und hilfreich.

Im Herbst 2019 vereinbarte ich dann einen neuen Termin bei meinem Spezialisten, ich befürchtete,

dass er sauer werden würde, weil ich die Pille nicht genommen habe. Aber er war wie beim ersten Termin verständnisvoll und verurteilte mich zu keinem Zeitpunkt. Ich schätze es sehr, dass mich endlich ein Arzt ernst nahm, mir die richtigen Fragen stellte und mir Therapie-Angebote

machte. 


Nach einem langen und intensiven Gespräch und eine weitere Untersuchung, kamen wir überein, dass ich mir die Gebärmutter inkl. Eileiter operativ entfernen lassen würde. Ich erhielt den Termin für

den Dezember 2019. Ich habe diese Entscheidung nie bereut, es erleichterte mich sogar, dass die Gebärmutter weg war. Ich hatte nach der postoperativen Zeit dann keinerlei Schmerzen mehr, ich genoss die pure Lebensqualität die ich durch die Operation zurückbekam. 
Mit Wonne verschenkte ich meine restlichen Tampons im weiblichen Freundeskreis und genoss endlich das Leben ohne Schmerzen. Ich

blühte regelrecht auf in den nächsten 3 Monaten. Ich nahm keine Hormone und hatte es auch nicht

vor. Ich fühlte mich einfach wunderbar!

Dann wendete sich das Blatt wieder und ich erwachte 3 Tage nach meinem Geburtstag mit einem starken stechenden Schmerz auf der linken Unterleibseite. Sofort vereinbarte ich einen Termin bei meiner neuen Gynäkologin. Nach dem sie mich untersuchte, überwies sie mich sofort notfallmässig ins Krankenhaus. Mein CRP (Entzündungswerte im Blut) waren sehr stark erhöht bei 194. Da aber einen Tag vorher der Lockdown vom Bundesrat ausgerufen worden war und man die Betten freihalten musste oder wollte, wurde ich von der Ärztin wieder nach Hause geschickt mit einer Schachtel Hormone. Meine Schmerzen waren unbeschreiblich und ich fühlte mich absolut hilflos und ungehört. Wusste nicht mehr weiter und meldete mich am nächsten Tag wieder bei meiner Gynäkologin. Diese staunte nicht schlecht, als ich schon wieder da stand und nicht im Krankenhaus lag. Sie schrieb mich für 3 Wochen krank, untersuchte regelmässig meine Blutwerte und behandelte mich konservativ mit Schmerzmittel, Entzündungshemmer und doppelter Dosis Hormone.

Nach über 3 Wochen ging ich wieder zur Arbeit, fühlte mich aber nicht gesund und meine

Schmerzen gingen auch nicht wieder weg. Ich wachte mit starken Schmerzen auf und ging mit selben starken Schmerzen wieder ins Bett. Ich nahm sehr viel Schmerzmittel, versuchte auch mit

Pflanzlichen Arzneimitteln die Schmerzen zu lindern. In der Schweiz gab es mittlerweile ein

Behandlungsverbot für nicht dringliche Operationen. Ich stürmte weiter bei meiner Gynäkologin, die ständigen Schmerzen zermürbten mich, es kamen immer mehr Beschwerden dazu, meine Laune kletterte in den Keller. Manchmal weinte ich vor Schmerz, Wut und Angst. Ich fuhr meine Mitarbeiter

unnötig an und mein Umfeld musste sich ein dickes Fell zulegen im Umgang mit mir. Der ständige Schmerz machte mich jeden Tag unausstehlicher. Ich erlebte ein Sommer voller Hochs und Tiefs, ein schmerzvoller und langer Sommer, auch für meine Liebsten, die aber glücklicherweise nicht von meiner Seite wichen. Dafür bin ich ihnen heute noch unendlich dankbar!

Dann endlich bekam ich einen weiteren Termin bei meinem Spezialisten. Er meldete mich für eine

weitere Operation (Diagnostische Laparoskopie) an und Ende August 2020 trat ich dann wieder ins Krankenhaus ein.

Die Operation dauerte länger als geplant, so wie auch mein Krankenhausaufenthalt, welchen ich akribisch vorausgeplant hatte, da ich noch für meinen Hund Verantwortung zu tragen hatte. Als ich von der Narkose aufwachte wurde mir mitgeteilt: Der linke Eierstock war durch die Endometriose fest verwachsen und verklebt mit der Bauchdecke und dem Harnleiter. 
Mein Arzt sagte mir, ich müsse nun die Hormone, die ich seit Frühling 2020 einnehme, nun regelmässig weiter nehmen, es würde nicht mehr ohne gehen. Zudem war er so ehrlich zu mir und meinte, ich werde mit dieser Krankheit kein Schmerz- und Beschwerdefreies Leben mehr führen können.

Seit der letzten Operation geht es mir soweit gut, ich muss nur noch wenig Schmerzmedikamente

nehmen, habe aber mit der Verdauung massive Probleme und es sind neue Beschwerden dazu

gekommen. Auch habe ich weiterhin regelmässige, zyklische Schmerzen. Fühle mich schnell erschöpft und bin sehr viel müde.

Nichtsdestotrotz, kämpfe ich mich weiter durch mein Leben, geniesse die guten Tage, schaue sehr

gut auf mich an den weniger guten Tagen. Endometriose ist für mich ein täglicher Balanceakt und hat mir geholfen auf mein Körpergefühl zu hören und zu vertrauen. Auch hat es mich gelernt, für mich und meine Bedürfnisse einzustehen. Ich bin dankbar für meine tollen Freunde, die immer noch da sind (viele haben sich in der schweren Zeit abgewandt) und mir viel geholfen haben, mein Schatz, der mir immer mit viel Geduld und Verständnis zur Seite steht und mir dadurch sehr viel Kraft und Halt gibt, meine Familie die mich noch nie im Stich gelassen hat und mein Arbeitgeber und mein geniales Team, die alle hinter mir stehen, trotz meiner Erkrankung und meiner vielen Ausfälle und meinen Launen die sie manchmal ertragen müssen. Danke!


«Das Leben mit Endometriose ist ein ständiger Balanceakt. Aufgeben ist keine Option für mich, ich

kämpfe mich immer wieder zurück ins Leben»